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Mohamed der kleine Junge

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Mohamed, der kleine Junge aus Sierra Leone.

Das Leben schreibt viele Geschichten, auch solche, die zum Schmunzeln und Nachdenken anregen. Da ist die Geschichte eines 10-jährigen Jungen, der seine Mutter und seinen Vater verloren hat. Sehr traurig, aber auch sehr emotional. Der kleine Junge der bei uns in so einem Fall mit Sicherheit in ein Heim kommen würde. Denn die Struktur der Großfamilie, wo der kleine Junge unterkommen könnte, kennen wir bei uns so nicht mehr. Nicht so in Schwarzafrika. Hier gibt es noch die Großfamilie «Clan».

Der Bruder der Mutter nimmt sich des Jungen an, obwohl er selbst mit dem Überleben zu kämpfen hat. Er ist Maurer von Beruf und wohnt immer dort, wo er gerade Arbeit findet. Der Beruf des Maurers ist in Sierra Leone nicht gut bezahlt und die Möglichkeiten, Arbeit zu finden, sind eigentlich sehr begrenzt. Zum Glück gab es einen großen Auftrag in einem Hotel an der Küste von Sierra Leone.

Zu dieser Zeit durften wir auf dem schönen Hotelparkplatz im Palmenhain am Strand in Sierra Leone verweilen und fühlten uns fast wie im Paradies. Ein wunderschöner weißer Strand mit Palmen, das Wasser mindestens 25 Grad warm, wenn nicht noch wärmer und immer ein leichter Wind, der die tropischen Temperaturen angenehm erscheinen ließ.

Die Hotelanlage wurde von einem sehr sympathischen und netten afrikanischen Besitzerpaar geführt, die sich einen Traum erfüllen wollen. Ihre Träume sind sehr ehrgeizig und fortschrittlich. In der Hotelanlage soll nun neben den Bungalows und dem Restaurant auch ein Konferenzraum mit Pizzeria als Highlight für diese Region entstehen. Die Hoffnung ist, dass die Bungalows dadurch viel stärker frequentiert werden. Leider verirren sich nur sehr selten Touristen in dieses Gebiet. Deshalb will man voll auf die besserverdienende, einheimische Kundschaft setzen. Die Idee ist auch, dass größere Firmen den Konferenzraum als besondere Trainingsumgebung mieten. Die Entfernung zur Hauptstadt ist ideal, da das Hotel etwa eine Autostunde von der Hauptstadt entfernt liegt.

Das ist die Vorgeschichte des kleinen Jungen Mohamed. Als wir ankamen, waren zwei Arbeiter gerade dabei, aus Sand und Zement, Ziegel in einer Form herzustellen. Da wir ganz in der Nähe des Arbeitsplatzes waren, konnten wir die beiden sehr fleißigen Arbeiter dabei beobachten, wie sie den Sand vom Strand holten, um ihn mit Wasser und Zement zu vermischen. Dann wurde die Mischung in eine Form geschaufelt, um den Stein zu formen. Nach einigem Schütteln und Pressen war die Sand-Zement-Mischung so zusammengefügt, dass sie aus der Form genommen werden konnte. Nun mussten die Steine 2 bis 3 Tage trocknen, bevor sie für das neue Gebäude verwendet werden konnten. Diese 2 Arbeiter waren so fleissig, dass sie sich kaum eine Pause gönnten. Jeder Schweizer Bauführer könnte neidisch werden, dass er bei uns keine so fleißigen Arbeiter findet. Später stellte sich heraus, dass diese 2 Arbeiter pro Stein bezahlt wurden. Der Lohn pro Stein betrug etwas mehr als 10 Rappen. Stein um Stein wurde gelegt und der Platz füllte sich immer mehr.

Als der Platz voll gefüllt mit Steinen war, ging es an die nächste Arbeit. Über die Fensterausschnitte wurden Armierungseisen gelegt, um dann die Fensterausschnitte mit einem Holzkanal zu verkleiden. Bei dieser Arbeit sahen wir nun auch einen kleinen Jungen, der wohl mithelfen sollte. Sie gingen runter zum Strand um Sand zu holen und kamen mit großen Säcken Sand zur Baustelle zurück. Der kleine Junge war auch dabei, nicht zum Spielen, nein er trug die gleichen Sandsäcke auf dem Kopf wie die 2 erwachsenen Männer. Wir konnten es kaum glauben, dass dieser Junge so schwere Sandsäcke auf seinem Kopf tragen konnte.

Sicherlich werden sich einige Leser fragen, warum wir das akzeptiert haben, das ist doch Kinderarbeit. Und solche Arbeit macht doch den kleinen Körper kaputt! Ja, das ist Kinderarbeit! Wir wissen auch nicht, wie gut es für den Körperbau des kleinen Jungen ist. Aber wir reisen ja nicht, um unsere Ansichten und Arbeitsbedingungen in diese Länder zu tragen. Wir als Gäste können nicht verbieten, dass dieser Junge auf der Baustelle arbeitet. Wir müssen uns auch den Gepflogenheiten der Länder unterordnen. Wir wollen keine Moralapostel sein, das tun schon zu viele bei uns und erreichen damit noch mehr Frust gegenüber uns doch so reichen Europäern.

Der kleine Junge war sehr stolz darauf, dass er so kräftig war und die Arbeit wie ein Erwachsener erledigen konnte. Er ließ sich auch gerne fotografieren und wir hatten das Gefühl, dass er diese Arbeit nicht aus Zwang machte, sondern einfach helfen wollte. Auch der Kontakt zu den erwachsenen Arbeitern wurde immer intensiver und die Gespräche vor oder nach der Arbeit brachten Geschichten zu Tage, die uns einerseits traurig stimmten, uns aber auch eine gewisse Zuversicht gaben, dass die Lebensweise in einer Großfamilie gerade hier in Sierra Leone noch sehr wichtig ist und die nötige soziale Sicherheit gibt. Diese Aufgabe wird bei uns leider fast ausschließlich vom Staat übernommen. Ob das menschlicher ist als die Lebensweise in Sierra Leone sei mal dahingestellt.

Da Christine sich sicher war, dass der kleine Junge sicher nicht auf Rosen gebettet ist, nahm sie aus unserem Bleistiftvorrat einen Bleistift und einen kleinen Papierblock, um dem Jungen ein Geschenk zu machen. Die Augen des Jungen strahlten und er war stolz ein Geschenk bekommen zu haben. Am nächsten Tag kam Mohamad mit dem Block und dem Bleistift auf die Baustelle und setzte sich zu Christine an den Tisch. Er zeigte ihr, was er auf den Block geschrieben hatte. Es war das Alphabet, das er wohl lernen wollte oder für die Schule als Hausaufgabe machen sollte. Den genauen Sinn haben wir bis zum Schluss nicht verstanden. Christine, die so gerne mit Kindern zusammen ist, packte die Leidenschaft, diesem Jungen helfen zu können! Vielleicht kam er zu Christine, weil er weibliche Zuneigung vermisste.

Christine hat sich viel Zeit für Mohamed genommen. Und es entstand ein Dialog, der mich als Außenstehende zum Schmunzeln brachte, aber auch mein Herz erwärmte. Der Junge sprach keine Fremdsprache, kein Englisch, wie es in Sierra Leone oft gesprochen wird. Er sprach nur seine Sprache, die sie Krio nennen. Und Christine sprach diese Sprache auch nicht. So haben sie sich in ihrer Sprache unterhalten und das war sehr charmant! Christine mit ihrem Berndeutsch und er mit seinem Krio. Da wurde aus dem Namen Mohamed plötzlich der «Mohametli», der besser aufpassen sollte, weil er das kleine «e» immer falsch herum schrieb und vieles mehr. Auch war der «Mohametli» nicht so ausdauernd im Stillsitzen und hatte viele andere Dinge im Kopf, die ihn wohl auch interessierten. So kam eine Ermahnung von Christine in ihrem Berndeutsch, das für Ihn wohl nett und lustig klang und an seinem Gesicht konnte man erkennen, dass er sich köstlich amüsierte. Er hatte schnell begriffen, wie er Christine um den Finger wickeln konnte und mit welchem Gesichtsausdruck er wieder ein Geschenk verdient hatte. Die beiden wurden für mich zum Dreamteam, weil sie sich gegenseitig dazu anspornten, freundlich und nett miteinander umzugehen. Ich habe ja schon geschrieben, dass Lächeln uns gut tut und dass Afrikaner das besonders gut können.

Wir sprachen noch viel über Mohamed, den 10-jährigen Jungen. Wir haben auch mit der Hotelbesitzerin über das Schicksal des Jungen gesprochen und erfahren, dass er leider nur sporadisch zur Schule geht. Schulpflicht gäbe es auch in Sierra Leone. Aber für Mohamed ist das andere Leben mit seinem Onkel auf der Baustelle wohl viel interessanter als die Schule. Wir haben auch erfahren, dass er nie zur Arbeit gezwungen wird, sondern das ganz freiwillig macht. Vielleicht auch vor dem Hintergrund, dass ein Onkel ihm jeden Tag das Essen besorgt und er abends wohl auch eine Art Zuhause hat, auch wenn dieses Zuhause wohl nicht dem entspricht, was wir uns darunter vorstellen. Solche Geschichten lassen uns immer wieder darüber nachdenken, wie gut es uns doch geht und ob wir nicht etwas dazu beitragen können, dass es diesen so liebenswerten Menschen etwas besser geht.

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