Von Guinea aus geht's auf geteerter Straße Richtung Südwesten über die Grenze nach Senegal. Unser Ziel war der Nationalpark Niokolo-Koba. Die Grenze haben wir ohne große Probleme überquert. Das heißt aber nicht, dass wir an diesem Tag noch viel unternehmen oder fahren können. Auch dieses Mal haben wir nach 15 Uhr die letzte Kontrolle hinter uns gebracht. Das kennen wir ja schon. Ein paar Kilometer weiter von der Grenze wollten wir einen Übernachtungsplatz suchen, um nicht in der Nacht fahren zu müssen. Die Landschaft war eher karg und trocken. Von der Straße aus haben wir ein paar Bäume entdeckt, ungefähr 200 Meter entfernt in einem Feld. Ich dachte, wir könnten hier sicher nächtigen und mit «Adia» einen kleinen Spaziergang unternehmen. Also sind wir links ins trockene Feld abgebogen und in Richtung Bäume, um zu parken. Es gab nur ein paar Reifenspuren im trockenen Feld. Der Weg zu den Bäumen mussten wir deshalb über ein paar "Hubbel" suchen. Unser «Trudi» ist sich das ja gewöhnt, auf schlechten Pisten zu fahren. Ohne große Anstrengungen fuhr unser Camper «Trudi» sicher zu den Bäumen.
Ja, dieser Platz sollte uns eine gute Nacht bescheren. Das nächste Dorf ist sicher einen Kilometer entfernt und auf dem Feld war niemand zu sehen. Also haben wir Adia an die Leine genommen und uns Schuhe angezogen, um einen kleinen Spaziergang zu machen. Es gab nicht viel Neues zu sehen, nur verdorrtes Gras und abgeerntete Felder. Als Highlight konnten wir ein paar Termitenhügel entdecken. Adia sah das aber wohl ein wenig anders und man spürte an der Leine, dass ihr afrikanischer Jagdtrieb noch immer vorhanden war. Die kleinen Tiere, die sie aus dem trockenen Gras aufschrecken konnte, waren für sie das, was sie so sehr liebte. Unsere Basenji-Hündin hatte beim Spaziergang sichtlich Spaß und fühlte sich in ihrer Urheimat Afrika sichtlich wohl.
Zurück beim Camper haben wir die Stühle rausgeholt und im Schatten unser wohlverdientes Bier genossen. Es war eine Wohltat, das Bier durch den trockenen Mund laufen zu lassen und zu spüren. Für mich ist das Bier in diesen Gegenden besonders kostbar, weil ich dadurch meinen großen Durst etwas stillen kann. Bei 42 Grad trockener Hitze ist es ohne ausreichend Flüssigkeit ziemlich unangenehm.
Wie meistens war die Ruhe nur von kurzer Dauer. Denn aus dem Dorf machten sich ein paar Leute auf den Weg zu uns. Ein junger Mann mit einem etwa 14-jährigen Mädchen kam zielstrebig auf uns zu. Ein zweites Mädchen, das schon fast eine Frau war, hielt sich mit etwas Abstand von uns fern. Sie schaute erst mal nur zu, was da wohl passieren würde. Die zwei, die etwas mutiger waren, standen mit etwa drei Metern Abstand von uns da und schauten, was wohl passieren würde. Jetzt waren wir dran, den nächsten Schritt zu machen. Denn wir sind die Gäste und vielleicht standen wir ja auf Ihrem Grundstück. Also stand ich auch auf und stellte mich vor. Ich sagte, dass ich Beat heiße. Das war eine ganz normale Geste. Und wir haben sie auch gefragt, ob wir hier übernachten dürfen. Sie haben uns freundlicherweise als Gäste aufgenommen. So nach und nach taute das Eis auf. Auch das zweite Mädchen kam näher, um zu schauen, wie wir leben.
Ich denke, ein paar Sätze, die uns gegenseitig näherbringen, können schon viel bewirken. Wir haben ziemlich schnell gemerkt, dass sie eigentlich gern mal einen Blick in unser Auto werfen würden. Vermutlich konnten sie sich nicht vorstellen, warum wir einen so großen Wagen mit uns herumfahren. Wir haben sie dann eingeladen, mit uns ins Auto zu kommen, damit sie sich unsere Ausrüstung ansehen können. Amüsiert haben sie sich immer über unsere Toilette! Die meisten konnten sich nicht vorstellen, dass wir im Auto auf die Toilette gehen. Die Natur liegt ja quasi vor unseren Füßen. Aber die Toilette war für sie immer auch ein Anlass zum Lachen. Weiße Menschen sind halt etwas sonderbar.
Lachen verbindet und öffnet Herzen! Nur eines hatten wir nicht bedacht: Der junge Mann war im Zeitalter von TikTok und Instagram angekommen. Auch ein paar Follower hatte er. Und denen musste er nun mit vielen Fotos und kleinen Videos mitteilen, wo er ist und welche sonderbaren Menschen er hier antrifft.
Für die nächsten 15 Minuten stand er im Auto und machte Posen, um sich in ein möglichst gutes Licht zu stellen. Dazu sprach er in seiner Sprache Texte, die wir nicht verstehen konnten. Er wollte kaum mehr aufhören, sich abzulichten. Ja, Afrika ist im Instagram-Zeitalter angekommen. Wir alten Traveller können nicht mehr alle Posen verstehen, die er machte, da wir zu alt dafür sind.
Nach dieser kinoreifen Inszenierung kamen wir ins Gespräch. Auch wir hatten einige Fragen an sie. Wir würden gerne mehr darüber erfahren, warum niemand auf dem Feld ist und wie sie so leben. Das Gespräch danach hat uns wieder einmal zum Nachdenken gebracht. Die Natur ist zu trocken und es gibt keine anderen Arbeitsmöglichkeiten als auf dem Feld zu arbeiten. Was können wir da machen? Auch wir haben keine Lösung dafür. Aber der junge Mann hatte einen Lösungsvorschlag für uns! Er hat uns erzählt, dass es sich bei den beiden Mädchen um seine Schwestern handelt und dass die Ältere schon eigene Wege gehen könnte, weil sie das Alter erreicht hat um von Zuhause weg zu gehen. Er hat uns gefragt, ob wir sie nicht mitnehmen könnten. Sie würde alles für uns tun! Seine Schwester ist ja auch schon eine Frau und wir sind zwei Männer mit nur einer Frau. Außerdem kann sie kochen. Und wenn sie in Europa ist, hat sie sicher ein besseres Leben. Ich war ziemlich geschockt, als ich das gehört habe. Was hat er denn gesagt? Er möchte uns seine Schwester mitgeben. Sie würde alles für uns tun! Ich fühlte mich echt schlecht. Die junge Frau soll quasi wie eine Leibeigene mit uns ziehen. Ich kriege noch heute eine Gänsehaut, wenn ich daran denke. Ich frage mich, was diese Menschen alles tun, wenn sie der Armut entkommen wollen. Und wir weißen Menschen nutzen diese Menschen dann einfach aus.
Ich wollte mich nur bei ihm für sein Vertrauen zu uns bedanken, aber ich habe sein Angebot abgelehnt, weil unsere Reise noch sehr lange gehen wird und seine Schwester ja sicher keinen Pass haben wird. Was sollen wir ihm denn sagen? Ich glaube nicht, dass seine Schwester bei uns glücklich wäre, weil sie ja ihre Familie vermissen wird. Auch, dass nicht alle Menschen bei uns nur gute Seiten haben. Wir haben ihm weitere Details erspart.
Der Influencer aus Afrika und sein Traum von Europa – das bleibt noch lange in meiner Seele. Auch die junge Frau, die wir mitnehmen sollten, möchte ich noch erwähnen. Wenn ich an sie denke, sehe ich noch heute ihre traurigen Augen vor mir. Jung, voller Zuversicht, aber leider ohne die Möglichkeit, das eigene Leben zu ändern. Sie hätte unsere Unterstützung gebraucht!